
Aktuell wird darüber diskutiert, ob der Pflegegrad 1 abgeschafft werden soll, um die Pflegeversicherung finanziell zu entlasten. Dieser Vorschlag kommt aus dem Bundesgesundheitsministerium unter Ministerin Nina Warken (CDU).
Ganz ehrlich: Ich halte das für einen großen Fehler. Das ist wieder so ein typischer Schnellschuss – wie wir ihn in der Vergangenheit schon oft erlebt haben. Ein bisschen hier drehen, ein bisschen dort kürzen, und am Ende hofft man, dass das System irgendwie weiterläuft. Aber so funktioniert das nicht.
Wenn man zurückblickt: Die Pflegeversicherung wurde 1995 unter Norbert Blüm eingeführt. Das war damals ein echter Fortschritt, weil viele Pflegebedürftige vorher auf Sozialhilfe angewiesen waren. Damit die Arbeitgeber entlastet werden, wurde sogar der Buß- und Bettag als Feiertag gestrichen – ein bewusster Kompromiss, um die Finanzierung zu sichern.
Später wurde das System weiterentwickelt, etwa durch die Einführung der Pflegegrade 2017, damit auch Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz oder Demenz besser erfasst werden. Das war richtig. Aber die eigentlichen Probleme – Unterfinanzierung, Personalmangel und Bürokratie – wurden nie wirklich gelöst. Stattdessen hat man immer nur an den Symptomen herumgedoktert.
Hier zeigt sich auch die Haltung meiner Arbeit: Die Johanniter-Unfall-Hilfe steht der Idee, den Pflegegrad 1 abzuschaffen, eindeutig ablehnend gegenüber. Pflegegrad 1 ermöglicht Personen mit geringen Beeinträchtigungen den Zugang zu Unterstützungsleistungen, bevor sich der Pflegebedarf verschärft. Das hilft nicht nur, die Selbstständigkeit der Betroffenen möglichst lange zu erhalten, sondern entlastet auch die Angehörigen spürbar. Leistungen wie Entlastungsbetrag, Pflegehilfsmittel, Hausnotruf oder Beratungsangebote stabilisieren die häusliche Pflege und reduzieren die Belastung der pflegenden Familien. Pflegegrad 1 ist also kein Luxus, sondern ein wesentliches präventives Instrument, das Lebensqualität schützt und zugleich dazu beiträgt, den Anstieg in höhere Pflegegrade zu verzögern.
Der Pflegegrad 1 ist kein Luxus, sondern eine wichtige Unterstützung für Menschen, die noch selbstständig leben, aber bereits Hilfe brauchen – und für ihre Angehörigen, die tagtäglich mit anpacken, organisieren, trösten und oft an ihre Grenzen gehen. Wer hier kürzt, spart am falschen Ende. Gerade diese Menschen profitieren von kleinen Hilfen, die den Alltag leichter machen und ihre Selbstständigkeit erhalten.
Ich finde: Wir brauchen endlich eine ehrliche, grundlegende Reform der Pflegeversicherung – keine Flickschusterei mehr. Ein Konzept, das die Realität anerkennt: Wir werden älter, Pflege wird vielfältiger, und Familien brauchen Unterstützung, keine neuen Hürden.
Pflege ist kein Kostenfaktor, sondern eine Frage von Würde, Respekt und Zusammenhalt.
Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, dafür zu sorgen, dass niemand durchs Raster fällt – weder die Pflegebedürftigen noch ihre Angehörigen.
Deshalb bin ich froh, dass sich auch meine Partei klar gegen die Abschaffung des Pflegegrades 1 stellt. Das ist das richtige Signal. Wer Pflege ernst nimmt, darf sie nicht Stück für Stück zurückbauen, sondern muss sie endlich so gestalten, dass sie auch in Zukunft tragfähig ist – und zwar für alle Generationen.